personal

Sometimes decisions weigh heavily

Übers Wochenende zu Besuch bei meinen Eltern liege ich an einem Samstag bereits gegen 19 Uhr entspannt auf der Couch und lese in einem Buch. Im Fernsehen läuft eine Tierdoku, die mein Dad verfolgt während meine Mum emsig die Kästchen eines Kreuzworträtsel füllt. Ding. Ding. Ding. In kurzen Abständen treffen drei Nachrichten ein und ich weiß sofort wer sich gemeldet hat. Einen Tag hatte er auf sich warten lassen, nachdem wir in der vergangenen Woche für unsere Verhältnisse doch relativ viel miteinander texteten. Ich greife zu meinem Handy.

***

Entscheidungen, die wir treffen wiegen manchmal schwer. Dennoch müssen sie getroffen werden. Und die Konsequenzen? Ja, mit Konsequenzen muss man rechnen und leben können. Sonst waren es keine klugen und vielleicht auch nicht die richtigen Entscheidungen. Beim Dating trifft man permanent Entscheidungen: Gebe ich dieses oder jenes von mir Preis? Wie weit will ich gehen? Vertraue ich meinem Datingpartner? Egal wie die Antworten ausfallen, sie werden durch unsere Erfahrungen beeinflusst, denn am Ende geht es immer um Erwartung, Enttäuschung und Selbstschutz.

***

Ich schaue auf das Display meines Handys und lese die lange Nachricht von ihm: »… Wir haben doch gesagt, dass wir ehrlich zueinander sind … Ich wollte eigentlich schon Sonntag mit dir drüber reden … Ich chille gern mit dir und wir können auch über alles reden. Aber ich habe keine Schmetterlinge im Bauch und sowas stellt sich bei mir immer recht schnell ein. Ich hoffe du bist mir nicht böse … Ich wollte es wirklich nicht ausnutzen, da es ja zuletzt auch etwas intimer bei uns wurde … Verzeih mir das bitte … I’m so sorry.«, stand da schwarz auf weiß geschrieben.

Mein Problem: ich verzeihe vieles, vergesse aber selten. Ich überlege kurz, wann wir uns kennenlernten. Zwei Monate ist das her. Zwei Monate und er hat nicht verstanden wie ich ticke. Ich erinnere mich an diverse Gespräche, die wir bis in die späten Nächte geführt hatten. »Ehrlichkeit ist mir wichtig.« – »Ich mag keine Spielchen.« – »Ein Datingaus bespricht man persönlich.« – »Nur Sex und keine Gefühle bei uns Frauen ist doch ein Mythos.«, hallen mir Wortfetzen meiner mit ihm geteilten Gedanken und Auffassungen durch den Kopf.

Meine Erwartung war, dass er ehrlich zu mir ist. Meine Enttäuschung bezieht sich nicht darauf, dass er nur freundschaftliche Gefühle für mich hegt, sondern wie er mit dieser Erkenntnis umgegangen ist. Und mein Selbstschutz fordert mich nun heraus ihn zu testen wie wichtig ich ihm als Mensch aka “Freund“ wirklich bin.

Ich tippe meine Antwort und bedanke mich für seine Ehrlichkeit. Ich komme klar, habe mein Herz aus Gründen geschützt und finde es nur schade, dass Männer offenbar immer erst nach dem Sex entscheiden können, ob es Freundschaft oder mehr ist. Also ich muss nicht erst mit meinen platonischen Freunden und Freundinnen schlafen, um sie in genau diese Kategorie einzuordnen. Und ich brauche dafür auch keine zwei Monate oder 7 Dates. Aber okay offenbar ist das bei ihm anders.

»Och man … wäre ich nur heimgefahren. Tut mir leid … Ich wollte nicht, dass es so weit kommt. Kotzt mich an und fühle mich da echt schlecht … Wirklich, hätte ich das mal gelassen. Bist halt auch nicht unattraktiv. Aber scheinbar überqualifiziert.«, gibt er quasi zu, dass er bereits vor unserer gemeinsamen Nacht wusste, dass ich in seiner Freundschaftsschublade gelandet war. Dies zu lesen kränkt mich sehr. Warum konnte er an dem besagten Abend nicht einfach ehrlich sein und mir die Wahl lassen, ob ich Freundschaft+ oder unter den Bedingungen diese Grenze nicht überschreiten möchte?! 

Bevor ich das Thema gänzlich abhaken kann, nutze ich noch ein paar seiner nachfolgenden Aussagen und äußere ehrlich meine Meinung und Bedenken: »Ich lasse mich ungern ausnutzen … Sorry, dass sich mir dann doch jetzt gerade der Gedanke aufdrängt, wenn du mich erst abschießt und dann betonst, dass ich dir dennoch gern bei deiner Bewerbung helfen und Fotos von deinem Hund machen könnte. Freundschaften baut man meiner Meinung nach anders auf.«. Ich warte gespannt auf seine Reaktion. » … Jetzt wird der gekränkte Stolz affig. Na dann mach’s gut.«, lautet seine Antwort, die mir leider deutlich macht, dass ihm eine echte Freundschaft mit mir nicht wichtig ist.

***

Ich starre in den Fernseher und lasse mich kurz von der Doku in den Bann ziehen. Beobachte wie ein riesiger Wal durch die trüben Tiefen des Meeres gleitet. Voller Eleganz und Gelassenheit, weil er über den Dingen ruht. Es stört ihn nicht, dass Taucher mit Kameras um ihn herum schwimmen. Als wüsste er, dass er ihnen nur in einem winzigen Bruchteil seines Lebens begegnen und sie danach nie wieder sehen würde. Die kurze Störung lohnt ein Aufregen offenbar nicht. 

Meine Gedanken lassen das WhatsApp Gespräch noch einmal Revue passieren. Mein Kopf will kurz analysieren, ob ich für mich wirklich richtig reagiert habe. Ob er auch wirklich nur jemand ist, der mich für einen winzigen Bruchteil meines Lebens begleiten sollte. Ich mochte ihn bis zu diesem Zeitpunkt. Wir hatten in Vielem ähnliche Ansichten, und ich fühlte mich in seiner Nähe wohl.

Es mag schon sein, dass er wirklich ein schlechtes Gewissen hat, weil er genau weiß, was er falsch gemacht hatte. Aber zu erwarten, dass ich innerhalb einer Stunde den Schalter auf Freundschaft umstelle und so tue als wäre nichts gewesen? Seine Entscheidung ohne Kritik einfach hinzunehmen, für die er 14 Tage gebraucht hat um sie mir dann via WhatsApp zu verkünden? Sorry, aber das sagt doch im Grunde alles.

Folgende drei Entscheidungen seinerseits führten dazu, dass ich gekränkt war, eine Freundschaft hinterfragte und er am nächsten Morgen meine Nummer und somit mich aus seinem Leben löschte:

  1. Körperliche Intimität, obwohl er bereits wusste, dass er nur Freundschaft möchte. Es ist nicht schlimm so zu empfinden, aber es ist nicht cool dem Gegenüber die Entscheidung zu nehmen, ob es unter den Aspekten dies auch möchte.
  2. Das Datingaus via WhatsApp zu verkünden. So etwas bespricht man face-to-face und das unverzüglich. Man wartet auch nicht an Tag X vier Stunden auf den richtigen Moment – der wird nie kommen. Ungeschönt ehrlich: WhatsApp wählt man nur, wenn einem das Gegenüber nicht wichtig genug ist oder einem der Mut fehlt.
  3. Den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Es wäre ein Leichtes gewesen mir Zeit zu geben, die Neuigkeit zu verarbeiten aber freundschaftlich am Ball zu bleiben. Dies hätte mir gezeigt, dass ich ihm als Mensch tatsächlich wichtig war und nicht nur seine Vorteile einer Freundschaft mit mir.

Wie gesagt, Entscheidungen wiegen manchmal schwer. Aber zum Glück habe ich mittlerweile dazu gelernt und vertraue nicht mehr vollständig auf die von Männern allzu gern geäußerten schönen Worte und unbedachten Äußerungen, die in jeder Sprache dieser Welt Hoffnung schüren oder unausgesprochen Nähe aufbauen sollen. Das Herz will wieder vertrauen, aber es lässt sich nicht mehr so leicht einlullen.

Leave a Reply