First Date Stories: No date but a date
Ich blinzel in die Sonne. Überlege, ob ich schnell zur Abkühlung in den See springen sollte. Rücke aber zunächst mein Basecap zurecht, drehe mich auf den Bauch und genieße noch ein wenig die morgendliche Ruhe am See. Ich weiß nicht mehr genau wann es war, aber ich erinnere mich sehr gut an 2015 – ein ebenso heißer Augusttag wie heute. Die morgendliche Sonne versprach bereits einer der wärmsten Tage des Jahres zu werden. Der Tag an sich verlief überhaupt nicht wie geplant, brachte mir aber eines meiner spontansten ersten Dates.
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»Sehen wir uns heute noch?«, fragte ich mein Crush via Textnachricht. »Nö.«, kam sehr schnell die Antwort. Kurz und knapp. »Einfach Nö? Ernsthaft jetzt?«, reagierte ich gereizt. Mehrere Monate dateten wir jetzt und mehr war nicht drin? Ich war mal wieder fassungslos. »Du hast erwartet, dass wir uns heute sehen.«, gab er mir klar zu verstehen wie wichtig ich ihm war. Ich wusste genau, was sein Problem war. Er war mal wieder unzufrieden. Unzufrieden mit sich und der Welt. Und ließ es wieder an mir aus. Ich wollte dieses Verhalten nicht länger tolerieren. Es war Zeit dem ein Ende zu setzen. »Wow, ist gut. Ich werde nichts mehr von dir erwarten.«, schrieb ich resigniert zurück und packte wütend mein Handy weg. Was bildete er sich nur ein?!
Ich vergesse seltenst Dinge, die mir wichtig sind, Absprachen, die getroffen wurden oder geführte Kommunikationen. Wenn ich will, kann ich einen 2-stündigen Film in fünf Stunden nacherzählen, mit all seinen Szenen, Subtexten und Interpretationsmöglichkeiten. Ich wusste also ganz genau was wir ausgemacht hatten und hatte keine Lust mehr auf dieses selbstsüchtige und unreflektierte Verhalten. Es ist mir klar, dass sich Pläne auch mal kurzfristig ändern konnten. Aber der Ton macht die Musik – besonders, da ich extra meine ursprünglichen Pläne ihm zu liebe abgesagt hatte. Ein Fehler wie sich herausstellte, da all meine Freunde jetzt bereits anderweitig verabredet waren und ich bei keinem ihrer Aktivitäten das fünfte Rad am Wagen sein wollte. Allein daheim sitzen wollte ich aber auch nicht. Packte daher schnell ein paar Sachen zusammen, schnappte mir mein Fahrrad und düste Richtung Park.
Ich breitete meine Decke an einem ruhigen Plätzchen aus und tauchte in die Geschichte eines meiner Bücher ein. Mein Handy signalisierte den Eingang mehrerer Nachrichten. Ich ignorierte sie. Für mich war die Entscheidung gefallen. Die Stunden verflogen und mein Blick trennte sich nur selten von den gedruckten Worten. »Hi, can a disturb you?«, holte mich am späten Nachmittag eine Stimme über mir aus der spannenden Handlung meines Thrillers. »Sure, how can I help you?«. Dafür liebe ich Leipzig. Die meisten hier lebenden Menschen sind offen und gehen gern aufeinander zu. Der Typ hockte sich neben mich und meinte, er liege wie ich bereits ein paar Stunden auf der Wiese und würde gern ein wenig mit mir plaudern. Was ich denn so spannendes lese und wieso ich allein wäre. Zwischen uns ergab sich ein zwangloses Gespräch. Er war Fotograf aus Barcelona und es war sein letzter Tag hier in Leipzig. Wir sprachen über mein Buch, unsere Jobs, seine Weltreise, die Suche nach dem Sinn im Leben.
Als er vorschlug eine Flasche Wein zu besorgen und den Abend entspannt ausklingen zu lassen, wusste ich sofort welches Plätzchen sich perfekt eignen würde. Gemeinsam radelten wir zu den Steinstufen an der Philippuskirche. Ein beliebter Platz in Leipzig, auch bei Fotografen. Er war begeistert und fing das Motiv mehrere Minuten lang aus den verschiedensten Blickwinkeln ein. Ich mochte sein Auge für Details. Wir teilten uns eine Flasche Rotwein und redeten in den folgenden Stunden über alles Mögliche und auch Unmögliche. Lachen trug uns von einem Thema zum Nächsten. Plötzlich sagte er, dass er mich sehr gern küssen würde, aber irgendwie auch nicht, weil es den Bann dieser wunderbaren Unterhaltung zerstören würde. Ich verstand genau was er meinte. Wir waren einfach nur zwei Fremde, die sich zufällig begegneten und ein paar schöne Stunden miteinander verbrachten. Wir redeten ehrlich über all unsere Wünsche, Vorstellungen und Träume, weil wir wussten, dass wir uns nach diesem Abend nie wieder sehen würden. Es gab keine Wertung. Keine Zwänge. Keine Erwartungen.
Mit dem letzten Tropfen Wein bahnte sich das Ende unseres Abends an. »I will never forget this spontaneous date in Leipzig.«, flüsterte er in die Dunkelheit. »Maybe, maybe not.«, scherzte ich zurück. Wir verabschiedeten uns mit einer Umarmung als kannten wir uns seit acht Jahren und nicht erst acht Stunden. Ich schob mein Fahrrad langsam davon und blickte nach wenigen Schritten zurück. Er stand noch an der gleichen Stelle und schaute mir nach. »Hope you will find your way and the right people you want to share it with!«, rief ich ihm zu, winkte ein letztes Mal und schlenderte sorglos nach Hause.
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Die Erinnerung an diese Begegnung, verdeutlicht mir immer, dass es Menschen gibt, die einfach losgehen. Losgehen ihr Glück zu finden. Ohne Angst zu Scheitern. Ohne zu wissen, wonach sie genau suchen. Mutig, ohne Reue oder Bedauern, ohne Netz und doppelten Boden. Witzigerweise, wusste ich schon damals, dass sein Glück nicht allein in der Erfüllung seiner Fotokunst liegen würde, sondern auch darin, die richtigen Menschen zu treffen, mit denen er all die schönen Momente seines Lebens teilen möchte.
Ein Hund rennt an mir vorbei und springt bellend dem Stöckchen seines Frauchens hinterher in den kühlen See. Ich muss lachen. Diese unbedarfte Freude am Leben dieses Tieres ist einfach ansteckend. Ich springe auf, werfe mein Basecap auf das Handtuch und tue es ihm gleich.
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