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Love is sold out, but we still have vibes to offer – 2/4

Die Vögel zwitschern wie wild um die Wette. Haben sich offenbar viel zu erzählen. Das morgendliche Licht dieses Samstags drängt sich bereits in mein Schlafzimmer. Will mir mitteilen, dass ein neuer Tag beginnt. Ich drehe mich um, kneife die Augen zusammen, ziehe die Decke über den Kopf und möchte noch ein bisschen weiterschlafen. Ohne Traum. Einfach nur die Stille in meinem Kopf noch etwas genießen. Zu spät. Ich greife nach meiner Brille und beobachte eine Weile das Spiel der Schatten an meinen Gardinen. Wird er sich heute bei mir melden? Wie werde ich reagieren?

Ich habe so viele Worte in mir. In den letzten beiden Tagen habe ich gedanklich alles wieder und wieder durchgespielt. Könnte mich ihm in mehr als 1.000 Worten, 100 möglichen Versionen und in 10 verschiedenen Emotionen erklären. In der Hoffnung er würde sich für mich entscheiden, für uns. Doch musste ich das? Ich gebe zu, es tut weh. Und es darf auch weh tun. Ich hatte Hoffnung. Durch das, was er sagte, wie er sich verhielt, was ich begann für ihn zu empfinden. Egal ob nach ein, zwei oder 6. Monaten. Das Gefühl war echt. Wir waren echt – oder zumindest ich war es.

Außer den ersten Autos, die an meinem Haus vorbeifahren und die singenden Vögel, höre ich nichts. Nur meine Gedanken. Ich entscheide sie nicht mehr zu verschwenden. Nicht an ihn – nein, das nicht. Noch ist er es mir wert über ihn nachzudenken. Aber ich will meine Gedanken in etwas Produktives, Kreatives umwandeln. In kurzer aufkeimender Euphorie schwinge ich meine Beine aus dem Bett. Laufe barfuß in das sonnendurchflutete Wohnzimmer und schnappe mir mein Notebook und die Kamera. Mit so wenigen Schritten wie nur möglich hüpfe ich zurück in die warmen Laken. Als hätte ich, wenn ich unter 10 Schritten bliebe, nicht wirklich das Bett verlassen. Wäre nicht wirklich aufgestanden und hätte den Tag bereits begonnen.

Eine Weile fotografiere ich gedankenverloren die langen Schatten, die sich an den Gardinen abzeichnen. »Kannst ja auch von mir mal Fotos machen. Bewerbungsfotos.«, durchzuckt der Satz einer unserer anfänglichen Chat-Kommunikationen meine Gedankenwelt. »Ich fotografiere nur Personen, die mir wichtig sind.«, war meine keck gemeinte Antwort. Doch es war etwas dran, ich würde ihn mittlerweile sehr gern fotografieren. Die Momente mit ihm einfangen, festhalten, nicht nur in meinem Kopf. Vielleicht als Beweis, dass es wirklich da war, dieses Wir, wenn auch nur in dem kleinen Moment einer Fotografie.

Aber so wie es jetzt gerade läuft, wird es nicht mehr dazu kommen. So möchte ich das zwischen uns nicht. Und das weiß er. Da bin ich mir sicher. Deshalb meldet er sich wohl auch wenig bis gar nicht mehr. Lässt es zwischen uns abkühlen. Baut Distanz auf. Ja, ich habe Erwartungen und das ist auch richtig so. Man sollte sich selbst nichts anderes einreden. Ohne Erwartungen gibt es keine richtungsweisenden Wege. Keine Entwicklung. Keinen Fortschritt. Doch was man aus den Erwartungen – den eigenen und denen des anderen – macht und wie man mit ihnen umgeht, entscheidet jeder für sich selbst. Er hat offenbar entschieden meine Erwartungen nicht erfüllen zu können oder zu wollen, sich nicht verlieben zu wollen und damit sich selbst, mich und das zarte Uns zu sabotieren. Wer sich nicht selbst frei entscheidet Liebe zuzulassen, einem Menschen wirklich die Chance auf Nähe zu geben, wird sich nicht aufrichtig und langfristig verlieben können. Davon bin ich überzeugt. Dann bleiben Begegnungen oberflächlich, emotional distanziert und austauschbar.

***

Ich sollte ihn langsam gedanklich loslassen, bin darüber ehrlich betrübt und werde es noch eine Weile sein. Trotzdem bin ich dankbar. Dass er mir gezeigt hat, wie es sich anfühlen sollte. Dass er mich erinnert hat, was meine Erwartung ist. Dass er mich wieder zum Schreiben inspiriert hat. Dass er mir, ohne es zu wissen, wieder den Mut gegeben hat persönliche Wort zu finden. Sie aufzuschreiben. Über uns zu schreiben. Vielleicht wird er es lesen. Vielleicht verstehen. Aber er muss es nicht. Ich muss mich nicht schlecht fühlen, weil ich weiß was ich will und was ich vom Leben, von Freundschaften, von Beziehungen und auch von Männern erwarte. 

Ich bin bereit die Gardinen aufzureißen und mein Schlafzimmer mit Licht zu durchfluten. Bin bereit für was auch immer heute passieren oder auch nicht passieren soll. Ob er sich wieder meldet oder nicht, es wird ein guter Tag. Warum auch nicht.


Love is sold out, but we still have vibes to offer – 3/4

Love is sold out, but we still have vibes to offer – 1/4


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