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Juggle the modern dating circus – Part 4

Unangenehm. Dieses Gefühl beschleicht mich seit der zweiten oder dritten Folge des Bachelors 2021. Ja, ich oute mich hiermit diese Sendung zu schauen. Vorrangig, weil eine ehemalige Arbeitskollegin als Kandidatin Teil dieses TV-Formates war und es natürlich Spaß macht mit Kolleginnen das Verhalten des angeblichen Traumprinzen auszuwerten. Die Sendung bietet seichte Unterhaltung, indem 22 Frauen um die Gunst eines Mannes buhlen. Ich gebe zu, dass der Hahn im Korb anfangs relativ nett und sympathisch erschien. Ist er wahrscheinlich auch.

Lassen wir einmal außen vor inwieweit diese Sendung gescriptet ist. Die Redakteure also mitentscheiden, welche potenziellen Partnerinnen Runde für Runde weiterkommen, weil sie für den Entertainment-Faktor spannend sind und inwieweit dem Bachelor vielleicht gar vorgegeben wird wie er sich verhalten oder was er sagen soll. Es ist und bleibt ein TV-Format, welches Einschaltquoten bringen soll. Langweilig funktioniert da natürlich nicht. Konzentrieren wir uns dennoch nur darauf was während der ausgestrahlten Sendungen beim Rezipienten ankommt und welche Eindrücke über die Akteure und deren Handlungen entstehen. Also in diesem Fall ganz subjektiv bei mir.

Dargestellt wird meiner Meinung nach ein unangenehmes Flirtverhalten, das auch ich vermehrt beobachte und dem ich hiermit in Anlehnung an die Sendung einen Namen geben möchte.

Bachelor(ette)-Syndrom

Das Bachelor(ette)-Syndrom ist eine Kombination aus Paralleldating, Mosting und Hunting. Die Flirtwilligen haben kein Exklusivdating vereinbart. (In der TV-Sendung gibt es klar ersichtlich 22 Konkurrentinnen, dessen sich alle Teilnehmerinnen bewusst sind – Pluspunkt gegenüber Real Life). Während der Dates werden bei dem Objekt der Begierde mit einer erfolgversprechenden Flirt-Strategie – man könnte auch böse Jagdmasche dazu sagen – echtes Interesse suggeriert, um beim Gegenüber Gefühle zu wecken. Ist der Flirtpartner Feuer und Flamme schwindet das Interesse plötzlich. Der Jagdtrieb ist also vorbei, wenn sich die Beute bereitwillig dem Jäger zu Füßen wirft.

Schon erlebt?

Nie so extrem und unangenehm wie es beim Bachelor 2021 rüberkommt. Aber auch mich und meinen Freundinnen beschleicht beim Dating immer wieder das Gefühl, dass es einigen Männern nur darum geht die Frau zu erobern, um erst danach für sich selbst zu entscheiden, ob ihrerseits überhaupt Interesse besteht. Sollte eigentlich andersherum laufen.

Warum Bachelor(ette)-Syndrom?

Es geht nicht wirklich um Liebe. Viel mehr geht es um Eroberung und Bestätigung. Das Gefühl begehrt zu werden und sich selbst gut oder vielleicht sogar besser zu fühlen, weil das Gegenüber einen unverkennbar gut findet.

Beim Bachelor 2021 konnte man Sendung für Sendung dieses Phänomen schön verfolgen. Selbst als sich klare Favoriten herausbildeten, legte der Single-Mann es darauf an bei allen Kandidatinnen weiterführendes Interessen rüberzubringen, immer zuvorkommend oder rücksichtsvoll zu wirken und sich dabei alle Optionen offenzulassen. Mich als Zuschauer störte dabei gar nicht, dass er so viele Frauen küsste, sondern wie er bei seinen Dates mittels intimer Gesten bei allen Frauen gleichermaßen eine gefühlsbasierte Nähe heraufbeschwor, um sich dann naiv zu wundern, warum er am Entscheidungstag „Beziehungsgespräche“ führen musste. Kann man es den Kandidatinnen vorwerfen? Meiner Meinung nach nicht.

Analyse Bachelor-Kandidatin Hannah: Freundschaft plus

Am Beispiel von Hannah sah man deutlich, wie trotz klarer freundschaftlicher Zuneigung ein romantisches Date im Planetarium genutzt wurde, um eine intime Stimmung zu erzeugt. Es dauerte nicht lange und der Bachelor zog seine übliche Masche ab: sanfte Berührung der Hände, leichtes streicheln über die Beine, tiefer Blick in die Augen, ab und an ein verschämtes Wegdrehen des Kopfes, unschuldiger Hundewelpeblick, Kussoffensive, Wohlfühlgeständnis, lange Umarmung, Kuss auf die Stirn. Und bäm Hannah, die bis dahin selbst realistisch einschätzte, dass sie mit dem aktuellen Bachelor in der sogenannten Freundschaftsfalle festsaß, war spätestens nach dem abschließenden Geschenk eines Sterns mit Ihrem Namen als ewige Erinnerung an diesen wundervollen gemeinsamen Abend hin und weg. Die neue Hoffnung wurde natürlich bei der nächsten Entscheidung hart zerstört, da sie trotz offensichtlichem Traumdate keine Rose bekam. Schade für sie aber leider als Zuschauer absehbar.

Analyse Bachelor-Kandidatin Mimi: Helicopter-Romanze

Die Darbietung von Mimi fand ich persönlich relativ grenzwertig. Anfangs als recht sympathisch und klare Favoritin eingeschätzt, empfand ich sie mit fortschreitender Sendung immer wieder als etwas drüber. Trotz 21 Konkurrentinnen verteidigte sie offenkundig ihr Revier und erhob bereits nach dem ersten Date exklusive Ansprüche, die das Format an sich gar nicht bieten konnte. Dass sie der gleichen Masche erlag, wie alle anderen ist natürlich klar. Wer bei der vorletzten Sendung aufmerksam zugehört hatte weiß, dass der Bachelor sie mit „Zuhause und Sicherheit“ verbindet. Schön, sie zeigt ihm ja auch offenkundig, dass sie ihn will und er fühlt sich dadurch bestätigt und begehrt. Daher wird er sich wohl final für sie entscheiden. Es ist schließlich immer wieder angenehm, wenn man Zuhause ankommt und da Menschen sind, die einen bedingungslos lieben und fürsorglich umeinander kreisen – zumindest für eine Weile. Als Zuschauer würde ich dieser Helicopter-Romanze wenig Zukunft einräumen.

Analyse Bachelor-Kandidatin Steffi: Kalkulierbares Risiko

Steffi kam immer recht pragmatisch, ehrlich und offen rüber. Ich nehme es ihr ab, dass sie interessiert ist den Bachelor weiter kennenzulernen. Obwohl ich mir bei ihr nicht sicher bin, ob er als Mann für sie nicht im Grunde zu langweilig wäre. Aber was sagte der Bachelor in der vorletzten Sendung über Steffi: Bei ihr weiß er woran er ist und was er zu erwarten hat. Klingt in meinen Ohren unaufgeregt. Daher hätte ich fast meinen A…. verwettet, dass er sie eher in die Freundschaftskategorie zählt und nicht ins Finale wählt. Dieser Trugschluss ergab im Nachhinein aber irgendwie Sinn. Steffi ist ein kalkulierbares Risiko. Und das gute Gefühl der Bestätigung wog offenbar mehr als unbestätigte Schmetterlinge im Bauch. Als Zuschauer denke ich sie würden schnell merken, dass sie eigentlich nur freundschaftliche Gefühle füreinander hegen.

Analyse Bachelor-Kandidatin Michèle: Alles oder Nichts

Anfangs umstritten, weil sie den Bachelor bereits vor der Sendung via Instagram kennenlernte und ihr daher von den anderen Frauen kein echtes Interesse unterstellt wurde, war sie schnell meine Lieblingskandidatin. Sie hatte das Format scheinbar verstanden, ist entsprechend zurückhaltend mit ihren Gefühlen umgegangen und schützte ihr Herz so gut es eben ging. Nichtsdestotrotz sah man von Sendung zu Sendung wie sie sich dem Bachelor öffnete und seinem Charme erlag. Einziges Problem: Sie zeigte es ihm nur subtil. Damit verunsicherte sie den modernen Single-Mann und weckte gleichzeitig seine Neugier wie keine andere Kandidatin. Es war irgendwie schön zu sehen, wie zwischen den beiden offenbar eine Anziehung besteht, die vieles möglich machen könnte. Das Feedback des Bachelors zu dem Homedate mit Michèle, dass sie die einzige wäre, die er danach vermisst hatte war vielversprechend. Halloooo?! Wie kann man denn nach solch einer Aussage nicht aufgrund der eigenen Gefühle erkennen, dass für diese Frau offenbar mehr Interesse da ist?

Er entschied sich – für mich mega unerwartet – gegen sie, um es dann – wie von mir erwartet – schnell zu bereuen. Ich verstehe diese Entscheidung einfach nicht. Ach ja vergessen, es geht um das Bachelo(ette)-Syndrom und damit um die Bestätigung 100%ig begehrt zu werden bevor man sich selbst entscheidet. Wie hätte er sich auch für sie entscheiden könne, wenn sie sich nicht vorher zweifelsfrei für ihn entschieden hatte. Schade, dass der Bachelor nicht bereit war alles auf eine Karte zu setzen. Als Zuschauer kam es mir so vor als hätten die beiden gut zusammengepasst.

Und dann kam der Ausblick auf das Finale. Ein unerwarteter Cliffhänger: Offenbar möchte er Michèle zurückholen. Whaaaat!? Ich dachte, ich falle von der Couch als ich dies sah. Was für ein Typ. Ich hoffe einfach nur, dass sie standhaft bleiben wird und nicht in die Sendung zurückkehrt. Wenn ein Mann wirklich interessiert ist, spielt er keine solchen Spielchen, räumt seine Dating-Dramen auf und konzentriert sich anschließend (nach der Sendung) auf die Frau, die ihm wirklich nicht aus dem Kopf geht.

Klar, niemand weiß Anfangs wo ein Date hinführen wird. Aber wer datet sollte sich selbst sicher sein, was er will und dies klar kommunizieren bevor bei dem anderen Gefühle und Hoffnungen geweckt werden. Es ist einfach nur unangenehm, wenn man anfängt sich einer Person in der Kennenlernphase aufrichtig zu öffnen und den Mut hat ihr das Gefühl zu geben sich in sie zu verlieben, diese Person dann aber plötzlich aufhört die Energie aufzubringen, die nötig war um einen soweit zu bringen. Das Bachelor(ette)-Syndrom zeigt klar: Wir Singles sind völlig orientierungslos, wenn nicht einmal mehr kleine Intimitäten wie zum Beispiel ein Kuss auf die Stirn, persönliche Gespräche oder Ausblicke auf die Zukunft etwas zu bedeuten haben. Unangenehm. Sehr sehr unangenehm.

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