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First Date Stories: Booh or how I dated a ghost

»… und die Visionen von Hundertwasser werden von der ersten Skizze über die Modelle bis zur Vollendung gezeigt…«, lausche ich seit einigen Minuten via Video-Call der Begeisterung meiner Freundin für ihr neu entdecktes Hobby der Architektur, das natürlich rein gar nichts mit ihrem aktuellen Crush – der zufällig Architekt ist – zu tun hatte. Ich schmunzle in mich hinein und lasse sie über wellenartige Linien, kräftige Farben und chaotische Formen philosophieren. Hundertwasser werde ich wohl immer mit Magdeburg und einem sehr schönen Date mit gespenstischem Ausgang in Verbindung bringen.

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Es war Anfang September 2019 als ich über Tinder einen Mann aus Magdeburg kennenlernte. Es lief wie es immer läuft. Wir schrieben eine ganze Weile relativ enthusiastisch hin und her und entschieden uns im Oktober persönlich zu treffen. Da ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie in Magdeburg war und gern das dort stehende von Hundertwasser entworfene Gebäude sehen wollte, fuhr ich also an einem Nachmittag des Tages X in die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts.

Pünktlich 16 Uhr parkte ich mein Auto in einer wunderschönen Allee. »Bin da.«, schrieb ich ihm eine Nachricht und erhielt prompt »Ich komme sofort runter.« als Antwort. Binnen weniger Minuten trat mein Date aus der Haustür und kam in großen Schritten, mit im Wind wehenden dunklem Haar freudestrahlend auf mich zu. Es war ein guter erster Real-life Eindruck, der sich während eines anschließenden fast 3-stündigen Spazierganges durch Magdeburg verfestigte. Die Gesprächsthemen schienen ihm nicht auszugehen. Er erzählte von seinem Job, einer anstehenden OP, seinen Träumen und Problemen im Freundeskreis. Ich hörte ihm gern zu, warf an den passenden Stellen meine eigenen Erfahrungen, Standpunkte und Meinungen ein. 

Zuvorkommend hielt er meinen Schirm schützend über mich als es zu regnen begann, lud mich auf ein Eis ein als die Sonne wieder herauskam und führte mich schließlich zur Grünen Zitadelle. Wunderschön hob sich das Hundertwasser-Gebäude von seiner Umgebung ab. Innenhöfe mit Springbrunnen und blühenden Gärten machten es an diesem Tag wahrlich zu einer der schönsten Attraktionen. Impulsartig griff ich zu meinem Handy, um es zu fotografieren. Bremste mich aber selbst sofort aus um die Stimmung nicht durch Fotografiewahn kaputtzumachen. »Lass uns doch noch gemeinsam Essen gehen, oder willst du schon nach Hause?«, fragte er und grinste mich jungenhaft an. Ich überlegte nicht lange. In einem nahegelegenen Restaurant nahmen wir Platz. Die Sonne ging langsam unter als der Kellner unser Essen brachte und die Zeit verflog bis ich gegen 22 Uhr meinte, dass ich jetzt langsam Heim müsste: »Es ist Sonntag, morgen wird 6 Uhr mein Wecker klingeln.«. Nachdem wir unsere Rechnungen beglichen hatten, schlenderten wir durch die nächtlich beleuchtete Stadt zurück in seine Straße.

Bei meinem Auto angekommen bedankte er sich für den schönen Tag. »Ich würde mich freuen, wenn wir uns wiedersehen.«, erwiderte ich. Er blickte mir in die Augen, machte einen Schritt auf mich zu. »Das hängt ganz von dir ab.«, sprach er bevor er seinen Kopf zu mir herunterbeugte und mich küsste. Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und stellte mich auf die Zehenspitzen um den Kuss zu vertiefen. Als wir nach ein paar Minuten unsere Lippen voneinander lösten, neigte er leicht seinen Kopf in Richtung Wohnung und zog fragend seine Augenbrauen hoch. »Schlaf dann gut.«, verabschiedet ich mich schnell bevor er etwas sagen konnte. Er gab mir einen leichten Klaps auf den Po bevor ich einstieg und klopfte noch einmal ans Fenster, nachdem ich den Motor angelassen hatte. »Schreib, wenn du Zuhause angekommen bist. Ich bleibe noch solange wach.«, waren seine letzten Worte bevor er sich umdrehte und die Straße zu seiner Wohnung überquerte.

Ich schrieb als ich Zuhause war. Ich schrieb am nächsten Tag und fragte wie sein wichtiges Meeting gelaufen war. Ich schrieb am dritten Tag nach unserem Treffen irgendeine sinnlose Nachricht, um ein Lebenszeichen zu erhalten. Am fünften Tag nach unserem Date durchbrach ich mein übliches Verhaltensmuster und rief ihn an. Er nahm den Anruf natürlich nicht entgegen. Als ich im Anschluss unseren WhatsApp-Chat öffnete, wurde er mir als online angezeigt. Er lebte also. Gut. Und ghostete mich offenbar. Auch gut. Kurioserweise folgte er mir noch eine ganze Weile auf Instagram, schaute meine Stories und löschte auch nicht meine Nummer. Aber aktiv habe ich nie wieder etwas von ihm gehört. Sehr spooky aber total logisch. Wie er sagte, hing ein Wiedersehen ganz von mir ab und ich habe den Abend offensichtlich nicht so enden lassen wie er es sich vorgestellt hatte. Für ihn Grund genug sich in Luft aufzulösen.

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»… Heeeey, hörst du mir überhaupt zu?!«, reißt mich meine Freundin laut aus meiner Träumerei. »Natürlich, ich musste nur gerade an ein Date denken, das im weitesten Sinne mit Hundertwasser zu tun hatte.«, kläre ich sie lachend darüber auf wie ich einmal in Magdeburg einen Geist datete und an der Begegnung nur bedaure kein einziges Foto der Grünen Zitadelle von Hundertwasser gemacht zu haben.

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