personal

Love is sold out, but we still have vibes to offer – 4/4

Playlist an. Lautstärke auf. Tief durchatmen und los geht’s. Meine Schritte passen sich der Musik an. Laufen, einfach nur Laufen und den Kopf frei machen. Ich mag es, wie dabei meine Umgebung im Klang der Songs an mir vorbeizieht. Bekannte und doch fremde Gesichter, die mir zunicken, weil wir uns seit Jahren immer wieder an den gleichen Stellen begegnen. Wir laufen irgendwie gemeinsam und sind doch jeder für sich ganz in seiner eigenen Welt. Jeder unterwegs mit der eigenen Musik, den eigenen Gedanken. 

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»Wenn du nicht so kopfmäßig unterwegs wärst …«, hatte er geschrieben und ich fasste es als Vorwurf auf. Als wäre ich schuld daran, dass es jetzt zwischen uns so ist wie es eben ist. Das hatte gesessen. Dies konnte und wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Er hatte doch den Rückzug angetreten, das beendet, was zwischen uns begonnen hatte. Mich einfach weggestoßen. Ich ging nur in Deckung, versuchte seine Entscheidung irgendwie zu akzeptieren und nicht weiter verletzt zu werden. Schaffte es aber nicht seine seitdem eintreffenden Nachrichten unbeantwortet zu lassen. Wie immer viel zu schnell, viel zu ehrlich. Kann ihn nach wie vor nicht anlügen. Nutze meine Antworten, um meinen Standpunkt zu erklären, in der Hoffnung er würde es im Grunde seines Herzens verstehen und mit mir einen Neuanfang wagen wollen. Es wäre so einfach. Ein klares Wort oder eine ehrliche Geste von ihm. Irgendetwas, das mir zeigt, dass er auch meine Ängste, Wünsche und Vorstellungen berücksichtigt. Das kann doch nicht so schwer sein. Aber vielleicht ist es auch einfach mal wieder Zeit für den Film Er steht einfach nicht auf dich.

Kopf, oder Bauch was bestimmt mein Verhalten bei ihm? Ich denke, dass niemand entweder Kopf- oder Bauchmensch ist. Wäre doch auch viel zu einfach. Ja, wir tendieren zu dem einen mehr und zu dem anderen weniger. Aber niemand trifft immer und ausschließlich entweder durchdacht oder intuitiv Entscheidungen. Handelt rational oder emotional. Wir pendeln alle zwischen beiden Extremen hin und her. Denken mal mehr mal weniger. Geben uns Emotionen hin, wenn es sich gut anfühlt und wir uns sicher fühlen. Schalten den Kopf ein, wenn wichtige, lebensverändernde Entschlüsse anstehen.

Wenn ich verschiedene Menschen in meinem Umfeld frage, ob ich Kopf- oder Bauchmensch bin, erhalte ich witzigerweise auch verschiedene Antworten. Sind wir also am Ende nur das Extrem, das unser Gegenüber in uns auslöst, in uns sehen will oder gar einfach auf uns projiziert? Ich zähle mich selbst tendenziell zu den Kopfmenschen – aber eben nicht ausschließlich. Vielleicht eher ein emotionaler Kopfmensch. Wenn gefühlt wird, dann so richtig intensiv. Und ja, ich denke viel. Aber genau dadurch weiß ich was ich will. Wo ich hin will. Wie ich sein will. Wer ich bin. Ich bin eine optimistische Realistin mit Hang zur Traumtänzerei. Ich durchdenke Möglichkeiten, reflektiere Erfahrungen, verliere mich gern in „was-wäre-wenn“-Fantasien. Für mich sind Gedanken, Liebe und Träume frei. Und daher so kostbar und unverzichtbar. So bin ich eben, also wohl definitiv nicht nur ein Kopfmensch.

Er hatte es geschafft, dass ich meinen Kopf ausschalten konnte. Bei ihm habe ich auf mein Bauchgefühl vertraut. Konnte kurz aufkommende Zweifel leicht beiseiteschieben und einfach darauf setzen, dass schon alles irgendwie kommt wie es kommen soll. Weil es sich einfach gut anfühlte. Wie konnte er mir daher jetzt eine Eigenschaft vorwerfen, der ich erst wieder mehr Platz einräumte, als er das zwischen uns beendet hatte?

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»Ich denke zu viel? … Du hast doch Angst mir nicht das zu geben, was ich will und suche … zumindest sagst du das immer … und nicht ich habe an Tag X hinterfragt, wo das mit uns hinführt, sondern du.«, warf ich aufgebracht zurück. Und da war er plötzlich dieser erste kleine Zwiespalt, der meine bisherige Traurigkeit ablöste. Hatte ich mich wirklich nur in sein Potenzial und unsere Möglichkeiten verrannt? Verfiel ich bei ihm zu sehr der Traumtänzerei? Mein Bauch schreit nein und ich will auf ihn hören. Denn emotionslos war es nie zwischen uns. Das hatte ich gespürt. Und Loslassen können wir offenbar beide nicht voneinander. Noch nicht. Vielleicht wie immer nur eine Frage der Zeit und der langsam zunehmenden Distanz. Ich wäre bereit ihm Zeit zu geben, mich seinem Tempo anzupassen. Aber ich weiß auch, dass ich mich nicht mehr mit weniger zufriedengeben möchte als ich verdiene und meine Bedürfnisse nicht mehr hinten anstellen darf. Das sagen mir sowohl mein Kopf als auch mein Bauch – und ich werde wie immer auf beide gleichermaßen hören.

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Meine Playlist und meine Gedanken werden von einer ankommenden Nachricht unterbrochen. Ich blicke auf das Display in Erwartung wieder von ihm zu lesen. Eine Frage oder Äußerung, die ich wieder nicht unbeantwortet lassen kann. Ich stoppe meinen Lauf und wische mir kurz über das Gesicht. »… Im Juni komme ich endlich wieder nach Leipzig … Geht’s Dir denn gut? Vermisse ja schon unsere Treffen …«, lese ich die Nachricht, die mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert und mich aus meiner Grübelei über ihn herausreißen wird.



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